2. Dezember
„Die Strassen der Stadt“
Als ich am darauf folgenden Morgen erwachte, war es bereits hell. Wie durch Zauberhand brannte das Feuerchen im kleinen Kamin immer noch, und eine behagliche Wärme erfüllte den Raum. Ich öffnete eines der Fenster, welche zum Innenhof des Gasthauses zeigten. Ein frostiger Wind begrüßte mich an diesem Morgen und weckte sogleich meinen verschlafenen Lebensgeist. Draußen war zwar kein Mensch zu sehen, doch verrieten mir die Fußspuren im Schnee, dass bereits jemand in aller Frühe hier unterwegs gewesen sein musste. Aus dem Erdgeschoss hörte ich zudem ein leises Gewirr von Stimmen, sowie das Klimpern von Geschirr. Ich hatte noch keinen Hunger, und so verließ ich gleich, nachdem ich meine morgenlichen Routinen verrichtet hatte, in meine wärmende Jacke gehüllt meine Unterkunft, verschloss meine Tür, und ging rasch über das Treppenhaus und einen kleinen Seitenausgang hinaus in einen neuen Tag.
Heute schneite es nicht. Bei meinem morgentlichen Spaziergang erkundete ich die nahe gelegenen Gassen und Straßen der kleinen Stadt. Aufs Neue fühlte ich mich sogleich wohl beim Anblick von liebevoll gepflegten Fachwerkfassaden, soliden Steingebäuden und schmiede-eisernen Straßenlaternen. Auch an diesem Tag war der graue Himmel wolkenverhangen, sodass es mir schwer fiel die Uhrzeit zu schätzen. Aber interessanter Weise störte mich das zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht. Stattdessen genoss ich meinen morgendlichen Bummel, und ließ mich genüsslich dorthin treiben, wohin mein innerer Ruf mich führte. Beim Schlendern durch die engen Gassen stieß ich irgendwann auf einen kleinen Park. Ich überquerte die Straße und setzte mich auf eine der Holzbänke. Dort blieb ich ein paar Minuten, und lauschte verträumt den Klängen eines Straßenmusikers. Gedankenverloren beobachtete ich beiläufig vorbei kommende Passanten. Erst als ich zu frösteln begann erhob ich mich von der Bank. Und nun bemerkte ich auch, wie mein Magen knurrte, und so trat ich zufrieden den Heimweg an.
Dieses Mal betrat ich die Herberge Zum steinernen Krug durch den Haupteingang und ehe ich mich versah, stand ich mit einem Mal in einer belebten Gaststube. Lauter Menschen saßen dort an robusten Holztischen und -bänken, tranken und aßen, lachten und redeten. Der große, helle Raum war mit Lehm verputzt und nachträglich offenbar weiß gekalkt. An den Wänden hingen auch hier Kerzenhalter und schön anmutende, handgemalte Bilder. In mehreren Kaminen brannten Feuer, und verbreiteten eine angenehme Wärme. Ich zog meinen Mantel aus und meine Mütze vom Kopf, und bahnte mir einen Weg zum Tresen. Dort bestellte ich mein Frühstück. Während ich noch wartete, schaute ich mich weiter in dem großen Raum um. Ich sah Menschen aller Altersklassen, manche allein über Büchern und Zeitungen versunken, doch die meisten schwätzten und unterhielten sich. Da waren Kinder und Alte, Männer und Frauen, Personal und Gäste. Und ich entdeckte mehrere Menschen, die eigentümliche, fast schon mittelalterlich anmutende Gewänder trugen. Und wieder bestätigte sich mein Bild, dass die Dinge hier scheinbar etwas anders sind, als ich dies gewohnt sei.
Plötzlich wurde ich jäh in meinem Gedankenfluss unterbrochen, als mich eine Frau von der Seite ansprach. Ich erschrak unmerklich, drehte mich um, und schaute sie an. Sie war von gehobenem Alter und von kleiner, zierlicher Gestalt, hatte eine große Nase, grazile Hände und einen herzlichen, aber festen Blick. Gekleidet war sie wie manch andere Menschen hier in auffallend schönen, mittelalterlich anmutenden Kleidern in lila- und anthrazit-Tönen. Sogleich fiel mir ihre überaus extravagante Kopfbedeckung auf. Nachdem sie sich entschuldigte hatte mich zu stören, kamen wir ins Gespräch. Wie sich schnell heraus stellte, war meine Gesprächsapartnerin Hutmacherin von Beruf, welche ihren Laden samt kleiner Manufaktur gleich gegenüber der Herberge betrieb. Schon kurz darauf, als mein Frühstück serviert wurde, waren wir in eine sprudelnden Konversation vertieft. Ich fragte sie natürlich auch nach Sehenswürdigkeiten, die es ihrer Meinung nach lohnen würde hier zu besichtigen, und nach allerlei mehr. Die Zeit verging wie im Flug, und bevor wir uns verabschiedeten, lud sie mich ein unser Gespräch doch gern später, vielleicht morgen Nachmittag, in ihrer Hutmacherinnenstube fort zu setzen, da sie nun bereits einen anderen Termin wahrzunehmen habe. Dankend nahm ich diese Einladung an, und verabschiedete mich. Und nachdem ich mein Frühstück beendet hatte, begab ich mich wieder auf mein behagliches Zimmer.
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