24. Dezember
„Weihnacht“
Am nächsten Morgen erwachte ich zu meiner Überraschung äußerst früh und ausgeschlafen. Noch ehe ich gefrühstückt hatte, saß ich schon wieder in der heißen Badewanne. Wenn mir eines in dieser Zeit im Wald gefehlt hatte, dann das! Ich genoss die Hitze und schwelgte lange in tiefer Entspannung, während das wärmende Wasser mich umfing.
Als ich gerade aus dem Bad gekommen war und dabei war mich anzuziehen, klopfte es an der Tür. Rasch warf ich mir ein Handtuch um, und öffnete. Es war der Portier, welcher mir mitteilte, dass an der Rezeption etwas für mich abgegeben worden sei. Neugierig zog ich mich zuende an, und begab mich nach unten. Dort wartete eine Überraschung auf mich. Alle meine Kleidungsstücke, mein Rucksack, mein Schlafsack, und alles weitere, was ich auf meiner Wanderung im Wald verloren geglaubt hatte, stand dort fein säuberlich hinter dem Tresen! Nachdem ich mich an der Rezeption erkundigt hatte, wer dies hier abgegeben habe, sagten mir die Menschen dort, dass sie es nicht wissen würden. Die Sachen wären über Nacht scheinbar wie von Zauberhand hier aufgetaucht. Dabei sei nur eine Notiz gewesen, dass die Sachen für mich seien, und des weiteren ein Briefumschlag, auf welchem mein Name stand. Sogleich ließ ich mir den Umschlag aushändigen, öffnete ihn, und faltete das Briefpapier auseinander. In ordentlicher Handschrift stand dort geschrieben:
„Ich dachte, dass du diese Dinge vielleicht vermissen würdest. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass du sie zurück erhälst. Es war schön deine Bekanntschaft zu machen.
Lebe wohl, bis zu unserem nächsten Wiedersehen!
– Alatar
Die restliche Zeit bis zum Sonnenuntergang verbrachte ich damit erneut über den Markt der Stadt zu schlendern. Hier fand heute der Weihnachtsmarkt statt, und viele Kunsthandwerker hatten ihre Waren zur Schau gestellt. Auch gab es mancherlei Leckereien, es wurde gesungen, und alles in allem herrschte eine sehr weihnachtliche Atmosphäre. Ich genoss es, wieder unter so vielen Menschen zu sein, und mich in der Masse treiben zu lassen – obschon ich gestehen muss, dass der Lärmpegel mir zeitweise zu schaffen machte. Nach der Stille in der Tiefe des Waldes, war ich soviel Lautstärke nicht mehr gewohnt.
Am frühen Abend fand ich mich auf dem Vorplatz der Advenzianischen Kirche ein, unweit der Seitenstraße, in der ich Nikolaus zum ersten Mal getroffen hatte. Hier war eine große Bühne aufgebaut, und es waren sehr viele Menschen anwesend. Draußen sang ein Chor Weihnachtslieder aus aller Welt, und der Festplatz war hell erleuchtet von mehreren bunt geschmückten Weihnachtsbäumen. Zudem hatten einige Händler hier ihre Stände aufgebaut und verkauften Speis und Trank an die Gäste.
Im Inneren der Kirche ging es durchaus besinnlicher zu, obschon die Menschen hier dicht an dich gedrängt standen. Als ich die große Halle betrat endete wohl gerade ein Orgelkonzert, und das Publikum applaudierte. Im Vorderen Bereich versammelte sich nun ein Orchester samt Dirigent, und gab eindrucksvoll einige klassische Werke zum besten. Alles in allem war es ein sehr beeindruckendes Spektakel. Doch ich merkte bald, dass ich die Eindrücke der letzten Tage noch nicht richtig verdaut hatte, und mir der ganze Trubel hier zu viel wurde, sodass ich mich bald auf den Heimweg machte.
Zurück im steinernen Krug begab ich mich in die Gaststube, wo ein riesiges Weihnachtsbuffet aufgebaut war. Voller Herzlichkeit wurde ich von den dort sitzenden Gästen eingeladen ihrem Schmaus bei zu wohnen, und das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen! Neben allerlei herzhaften Köstlichkeiten entdeckte ich hier zu meiner größten Verzückung auch eine süße Leckerei, welche ich ob der Ereignisse der letzten Wochen schon gänzlich aus meinem Gedächtnis verdrängt hatte: Advenzianische Lebkuchen! Ich ließ es mir also schmecken, und genoss die gesellige Runde mitsamt der anderen Gäste.
Als sich später am Abend der Wirt zu uns gesellte und mich bemerkte, setzte er sich aufgeregt zu mir, und teilte mir mit, dass er schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte mich wieder zu sehen. Stelle sich das mal einer vor! So kam ich nun nicht drum herum ihm eine abgespeckte Version meiner Geschichte zu erzählen, die seine Neugierde befriedigen sollte. So verbrachte ich noch einige schöne Stunden in Gesellschaft lieber Menschen, bei Festschmaus, Musik und guter Laune.
Als ich später am Abend in mein weiches Bett fiel, klingelten mir die Ohren. Selten hatte ich in der Vergangenheit ein solch turbulentes Weihnachtsfest mit so vielen mir unbekannten Leuten verbracht – aber auch selten ein so unterhaltsames! Das war ein schönes Ende meiner Reise, dachte ich mir. Und es dauerte nicht lange, da waren mir auch schon die Augen zu gefallen …